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Titelbild Symbolbild: Keystone

«Die Coronavirus-Impfung ist sehr ‹frisch› auf dem Markt»:

Das Pflegepersonal im Appenzellerland ist teilweise skeptisch - eine Impfpflicht kommt aber nicht.


Tagblatt Appenzellerland, Rosa Schmitz, 25.01.2021, 22.00 Uhr

Ausgerechnet Pflegerinnen und Pfleger an Spitälern und in Alters- und Pflegeheimen gelten als notorisch impfskeptisch. In der Vergangenheit hat sich nur eine Minderheit gegen die Grippe impfen lassen. Doch gilt das auch für die Corona-Impfung? Und wie reagieren Leiter?

Nicht alle Pflegenden wollen sich sofort impfen lassen.

Sich impfen lassen oder nicht: Das ist die Frage. Auch im Appenzellerland. Hier sowie in der restlichen Schweiz gilt vor allem das Pflegepersonal als notorisch impfskeptisch. Doch erste Zahlen zeigen, dass es diesmal anders kommen könnte. Über Wochen arbeiteten Pflegefachfrauen und -männer sowie Ärzte in Spitälern sowie Alters- und Pflegeheimen an der Belastungsgrenze. Und setzten sich stets der Gefahr aus, sich selbst mit dem Coronavirus zu infizieren. Umso sehnlicher erwarten viele den Impfstoff. Eine Impfpflicht, sagen einige, sei nicht nötig.

Hohe Impfbereitschaft in allen Berufsgruppen

Alain Kohler, Leiter Marketing und Kommunikation des Spitalverbunds Appenzell Ausserrhoden.

Alain KohlerDer Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden zum Beispiel ist zuversichtlich. «Wir stellen in allen Berufsgruppen eine höhere Impfbereitschaft fest», erklärt Alain Kohler, Leiter Marketing und Kommunikation. Dies im Vergleich zur Bereitschaft zur Influenza-Impfung in den vergangenen Jahren. Die Nachfrage bei Mitarbeitern sei ausserdem um ein Vielfaches höher als die momentan verfügbare Impfmenge. Grund dafür ist, dass das Pflegepersonal «seit knapp einem Jahr täglich hautnah miterlebt, wie schlimm eine Covid-19-Erkrankung sein kann», sagt Kohler.

Eine Impfpflicht wird deshalb nicht in Erwägung gezogen. Der Spitalverbund empfiehlt seinen Mitarbeitenden, sich gegen Covid-19 zu impfen, erklärt Alain Kohler. «Wir ermuntern sie zudem, nebst dieser expliziten Empfehlung, sich über die persönliche Impfbereitschaft Gedanken zu machen.» Dazu stelle der Spitalverbund einerseits offizielles Informationsmaterial des BAG zur Verfügung und ermögliche es andererseits seinen Mitarbeitenden, allfällige Fragen jederzeit dem Personalärztlichen Dienst zu stellen.

Kohler erklärt:

«Mit oder ohne Impfung ist und bleibt es aber wichtig, die geltenden Hygiene- und Schutzmassnahmen einzuhalten.»

Die Erfahrung der vergangenen Monate zeige, dass dadurch das Infektionsrisiko bei Mitarbeitenden, welche mit besonders gefährdeten Patienten arbeiten, äusserst gering sei.

In Alters- und Pflegeheimen im Kanton Appenzell Ausserrhoden sieht die Lage ähnlich aus. Das Alters- und Pflegeheim Teufen, unter dessen Dach die Häuser Unteres Gremm und Lindenhügel laufen, hat sich das Ziel gesetzt, möglichst viele Mitarbeitende von der Impfung zu überzeugen. «Die direkten Vorgesetzten haben mit jedem ihrer Mitarbeitenden das persönliche Gespräch gesucht», erklärt Gesamtleiterin Ursina Moser. Zentral sei dabei eine solide Aufklärung und Information gewesen. Eine Impfpflicht bestehe aber nicht.

«Wir sind aber zuversichtlich, dass sich ein Teil derjenigen, die sich aktuell noch nicht impfen lassen wollen, am Ende für einen Impfschutz entscheiden werden.» Um die Herdenimmunität zu erreichen, sei dies sicherlich der effizienteste und ungefährlichste Weg.
 

Ursina GirsbergerUrsina Girsberger, Geschäftsleiterin des Betreuungs-Zentrum Heiden.

«Eine Impfpflicht entspricht nicht der Haltung des Betriebs»

Das Betreuungs-Zentrum Heiden zieht ebenfalls keine Impfpflicht in Erwägung. «Dies ist zum einen nicht zulässig und entspricht zum anderen nicht der Haltung des Betriebs», sagt Geschäftsleiterin Ursina Girsberger. «Unsere Mitarbeitenden wurden aber motiviert, sich impfen zu lassen.» Deren Meinungen seien frühzeitig abgeholt und es sei viel diskutiert und argumentiert worden. Im Dezember und Januar fanden im Betreuungs-Zentrum ausserdem zwei – gut besuchte – Informationsveranstaltungen statt, an welchen ein Hausarzt zum aktuellen Impfstand sprach. Girsberger sagt:

«Er informierte über die Wirkung und möglichen Nebenwirkungen und bot die Möglichkeit, Fragen zu stellen.»

Aktuell liegt die Impfbereitschaft bei Mitarbeitenden des Betreuungs-Zentrums bei 48,6 Prozent. «Der Hauptgrund, warum sich manche vorwiegend nicht impfen lassen wollen, ist wohl die Angst vor Nebenwirkungen und Langzeitfolgen», spekuliert Girsberger. Für sie seien Angestellte, die sich nicht impfen wollen, keine Impfskeptiker. Sie hätten aktuelle Informationen zu der Impfung erhalten, aber anschliessend müsste jeder für sich die Entscheidung treffen.

«Die Coronavirus-Impfung ist immerhin sehr ‹frisch› auf dem Markt – wir wissen noch nicht alles darüber.»

Allerdings ist eine hohe Impfquote bei den Bewohnern sowie bei den Mitarbeitenden notwendig, um 2021 in eine neue Normalität zu gelangen. «Aktuell heisst das, die Lage auf allen Ebenen - international, national und regional – zu beobachten», sagt Girsberger. Grundsätzlich gelte, je tiefer die Fallzahlen, umso geringer sei ein Ausbruch in den Heimen zu erwarten.

Das Wohn- und Pflegezentrum Au in Urnäsch wiederum «stellt keine besondere Anstrengung an, Mitarbeiter zu motivieren, sich impfen zu lassen», sagt Leiterin Käthi Nef. Auch gäbe es keinen besonderen Umgang mit Nichtgeimpften. Nicht geimpftes Pflegepersonal wird speziell ausgerüstet.
 

Markus SchmidliMarkus Schmidli, stellvertretender Kantonsarzt (Appenzell Innerrhoden).

Im Kantonalen Spital und Pflegezentrum in Appenzell Innerrhoden wird beim Pflegepersonal eine Offenheit für die Covid-19-Impfung wahrgenommen, sagt Markus Schmidli, Leitung Allgemeine Innere Medizin. Konkrete Zahlen seien nicht erhoben. Aber das Spital motiviere seine Mitarbeitenden, sich impfen zu lassen.

«Nicht nur für die Covid-19-Impfung, sondern auch für die jährliche Grippeimpfung.»

Der stellvertretende Kantonsarzt weist aber auch darauf hin, dass im Moment noch nicht klar ist, ob die Impfung auch vor einer Übertragung des Virus schützt. Solange noch nicht genügend Dosen vorhanden seien, mache es nicht Sinn, bei der Diensteinteilung zwischen geimpften und nicht geimpften Mitarbeitenden zu unterscheiden. «Wenn sich das ändert, kann das nicht geimpfte Pflegepersonal entweder nicht mehr bei besonders gefährdeten Patienten eingesetzt werden, oder es muss speziell ausgerüstet werden», so Schmidli.

 

Titelbild, Symbolbild: Keystone

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