Nach zwei Heimschliessungen: So steht es um die Altersbetreuung im Vorderland
Tagblatt, 1.12.2023 | Mea McGhee
Innerhalb eines halben Jahres schliessen in der Region Vorderland und Oberegg gleich zwei Wohn- und Pflegeangebote für ältere Menschen. Wie wirkt sich das auf die anderen Institutionen aus?
Zu Beginn des Winters entschliessen sich besonders viele ältere Menschen, in eine betreute Wohnsituation zu wechseln. Bild: Catherine Falls Commercial/Moment RF
Wie der Gemeinderat Lutzenberg Anfang November bekannt gegeben hat, schliesst das Seniorenwohnheim Brenden per Ende Februar 2024. «Bis dahin ist es das wichtigste, dass für die aktuell noch acht Bewohnerinnen und Bewohner gute Plätze und für die Mitarbeitenden gute Lösungen gefunden werden», sagt Esther Albrecht, Lutzenberger Vizegemeindepräsidentin. Bereits per Ende Oktober musste das Alters- und Pflegeheim Torfnest in Oberegg seinen Betrieb wegen Fachkräftemangels und des hohen Defizits einstellen.
Bei zwei Schliessungen in so kurzer Zeit in einer Region,
scheint ein drohender Bettennotstand in der Altersbetreuung denkbar. Doch das kantonale Amt für Soziales gibt auf Nachfrage Entwarnung. Gemäss Pflegeheimliste 2023 stehen in der Region Vorderland 296 Pflegeheimplätze zur Verfügung. Die Auslastung habe im Jahr 2022 nur rund 82 Prozent betragen. Es bestehe also aktuell eher ein Überangebot an Pflegebetten. Dazu stammten rund 29 Prozent der Bewohnenden in Vorderländer Institutionen aus anderen Kantonen. Für die Bewohnenden vom Seniorenheim Brenden müsste daher wohnortsnah in den umliegenden Heimen ein neues Zuhause gefunden werden können, so der Kanton.
Betreuungs-Zentrum Heiden voll belegt
Man sei daran, für eine Person aus dem Seniorenheim Brenden ein Bett bereitzumachen, sagte denn auch vergangene Woche Ursina Girsberger, Geschäftsleiterin des Betreuungs-Zentrums Heiden (BZH). Dieses ist mit rund 70 Plätzen die grösste Institution im Vorderland. Das BZH verfügt unter anderem über eine Demenzabteilung sowie über die Gerontopsychiatrische Abteilung für Bewohnende von Ausserrhoden mit 15 Plätzen.
Das BZH bekomme stetig Anfragen für Betreuungsplätze, unabhängig davon, ob in der Region eine Institution für Altersbetreuung geschlossen werde, so Girsberger. Von Privaten, von Spitälern oder Reha-Einrichtungen. Grundsätzlich sei das BZH stets voll belegt, die Anzahl Bewohnerinnen und Bewohner schwanke aber leicht, je nach Konstellation. «Es braucht Flexibilität und man muss vorausdenken», sagt Ursina Girsberger. Gerade zu Beginn des Winters verzeichnet das BZH jeweils viele Eintritte, da manche ältere Menschen, die noch Zuhause leben, merkten, dass es ihnen zu viel wird mit den Unannehmlichkeiten, welche Schnee und Kälte mit sich bringen. Für Personen, die aus den eigenen vier Wänden in die betreute Wohnsituation wechseln wollen, besteht beim BZH eine Warteliste, hier stehe man in engem Kontakt mit den Klientinnen und Klienten und deren Angehörigen, um den passenden Zeitpunkt für den Eintritt zu finden. Dazu gebe es immer mehr Notfalleintritte, sei es auch nur, um nach einem Spitalaufenthalt einige Wochen zu überbrücken. Die Leiterin des BZH sagt: «Es ist wichtig, für jeden Bewohner das richtige Bett anbieten zu können.»
Demenzabteilungen in Heiden und in Rehetobel
Die Institutionsleitungen im Vorderland, aber auch die zuständigen Gemeinderatsmitglieder sowie der Verband Curaviva Appenzellerland stünden in konstruktivem Austausch, sagen mehrere der Angefragten, sei es bezüglich Ausbildung oder Austausch von Fachkräften oder bei spezifischen Fragestellungen. Beispielsweise konnte die «Krone» Rehetobel eine Gruppe von Seniorinnen und Senioren aus dem Oberegger Torfnest übernehmen, als dieses geschlossen wurde. «Drei Frauen essen noch heute gemeinsam an einem Tisch und pflegen ihre Gemeinschaft auch in ihrer neuen Umgebung», sagt Damian Link, Geschäftsleiter des Alters- und Pflegeheim Krone.
Dieses verfügt wie das BZH über eine Station für Demenzbetroffene. In diesem Bereich werden im gesamten Kanton zunehmend mehr Plätze benötigt. Seitens des Amtes für Soziales heisst es dazu: Menschen mit demenziellen Erkrankungen werden wenn möglich nach dem integrativen Ansatz versorgt; das heisst, demenzerkrankte Menschen wohnen auf der gleichen Abteilung wie Menschen, die nicht an Demenz erkrankt sind. Wird man den Bedürfnissen der Demenzbetroffenen, den Angehörigen, den Mitbewohnenden und den Mitarbeitenden nicht mehr gerecht, dann kann eine Betreuung in einer spezialisierten Demenzabteilung sinnvollsein. Nebst den stationären Plätzen stünden auch im Vorderland ambulante Betreuungsangebote wie zum Beispiel Tages- und Nachtstrukturen zur Verfügung. Daniel Link beschäftigt in der Thematik Demenz ein weiterer Aspekt: Die hohen Kosten, welche aufgrund des erhöhten Betreuungsaufwands von Demenzbetroffenen anfallen. Er appelliere an die Politik, neue Lösungen bei der Vergütung im Demenzbereich zu erarbeiten und fühlt sich aktuell in diesem Bereich zu wenig gehört.
Die Verantwortlichen des Betreuungs-Zentrums Heiden würden gerne im benachbarten Gebäude des ehemaligen Spitals Heiden eine Demenzabteilung einrichten. Bild: apz
Das Betreuungs-Zentrum Heiden, dessen Trägerschaft die Vorderländer Gemeinden sowie Oberegg sind, möchte die Station für Demenzbetroffene ausbauen (siehe Kasten). Als Standort kämen Räumlichkeiten im ehemaligen Spital Heiden in Frage, doch mit dem Kanton konnte noch kein langfristiger Mietvertrag eingegangen werden. «Einen anderen Standort sehen wir aktuell nicht», sagt Ursina Girsberger.
Verhandlungen mit dem Kanton zur Nutzung des Spitals An der Delegiertenversammlung der Vertragsgemeinden des Betreuungs-Zentrums Heiden (BZH) vom Montagabend war die künftige Nutzung des benachbarten Spitalareals ein Thema. Das BZH wollte eine Million Franken in den Aufbau einer Demenzabteilung im Spitalgebäude investieren, wenn ein Mietvertrag über zehn Jahre ermöglicht worden wäre. Da der Kanton einen Verkauf favorisiert, konnte nur ein Vertrag über fünf Jahre abgeschlossen werden. Der Austausch zwischen dem Kanton und der Gemeinde Heiden laufe, betonte Robert Diethelm, Gemeindepräsident von Heiden und Vizepräsident des BZH. Der Kanton habe keinen Eigenbedarf, reklamiere aber einen Geldabfluss. Er wolle das ganze Areal (Spital, Dunant-Haus und alte Brauerei) baldmöglichst verkaufen. Die gegenwärtigen Nutzer Medizinisches Ambulatorium Heiden (MAiH) und BZH blieben ein wesentlicher Teil der Verhandlungsbasis. Seitens Gemeinde Heiden sei gesetzt, dass das Areal raumplanerisch mit dem Schwergewicht GesundheitAlter-Schule belegt bleibe. Eine Umteilung in die (gewinnträchtigere) Kern- oder Wohnzone sei nicht vorgesehen sei, allenfalls mit Ausnahme der alten Brauerei. (rr) |
Wohnen mit Services als neues Angebot
Viele Alters- und Pflegeheime im Kanton haben sich in den letzten Jahren stark entwickelt, um dem gesellschaftlichen Wandel und den veränderten Bedürfnissen der Bewohnenden gerecht zu werden. Verschiedene Häuser wurden neu gebaut oder aufwendig renoviert. Einige Trägerschaften haben ihr Dienstleistungsangebot ausgebaut und bieten beispielsweise Wohnungen mit Services an. Neben den veränderten Wohnstandards sind die Anforderungen in der Pflege und Betreuung der Bewohnenden aufgrund von Mehrfacherkrankungen gestiegen. Gleichzeitig herrscht schweizweit ein Fachkräftemangel. Die Institutionen sind aufgefordert, attraktive Arbeitsplätze anzubieten und gegebenenfalls zu schaffen. Im Weiteren sind sie verpflichtet, eine bedarfsgerechte Pflegequalität zu gewährleisten, diese zu evaluieren und Massnahmen abzuleiten, so das Amt für Soziales. Für einzelne Institutionen sei es eine grosse Herausforderung, all diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Auch kleine Häuser bilden Fachkräfte aus
Etwa das kleinste aller Ausserrhoder Alters- und Pflegeheime, der Obergaden in Wald. Die 16 Plätze sind durchschnittlich zu 85 Prozent belegt. Es erfüllt dennoch, wie alle Alters- und Pflegeheime im Kanton die Voraussetzungen für die Betreuung bis zur höchsten Pflegestufe 12. Die zuständige Gemeinderätin, Enza Welz, sagt auf Anfrage, der Ausbaustand sei einfach und zweckmässig. Der heimelige Holzbau verfüge über einen hellen Wintergarten. Alle nötigen Einrichtungen und technischen Hilfsmittel seien Vorhanden. «Die Mitarbeitenden können dank Hebebadewannen, Patientenhebern, Badelift und anderen Hilfsmitteln schonend arbeiten.» Enza Welz sieht den langfristigen Betrieb dank genügend Fachpersonal und guter Bettenbelegung als gesichert. In Wald setze man alles daran, dass dies auch so bleibt. Denn im Obergaden werden Fachangestellte Gesundheit (FaGe) sowie Assistenzen in Gesundheit und Soziales (AGS) ausgebildet. Damit helfe die Institution aktiv mit, etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun, sagt Enza Welz. In Walzenhausen erarbeitet eine Kommission unter der Leitung von Gemeinderat Alexander Betriche momentan eine Strategie zur Zukunft der Altersbetreuung. Das Alterswohnheim Almendsberg verfügt über 28 Plätze, die durchschnittlich zu 85 Prozent belegt sind. «Mittel- bis langfristig besteht Handlungsbedarf, um den steigenden Anforderungen Rechnung tragen zu können», sagt Betriche. Der Ausbaustandard und die Infrastruktur würden die heutigen Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner weitgehend abdecken. «Mit der momentanen Infrastruktur können wir gut arbeiten und unseren Auftrag mit einer hohen Qualität erfüllen.»
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